Ostfriesen-Knigge: 9 Tipps, wie Ihr Euch nicht als Touri outet
Ostfriesland ist ein beliebtes Reiseziel für Wattwanderer, Friesennerzträger und echte Küstenkinner. Doch wie jede Kultur haben auch die Ostfreesen so ihre Eigenheiten - wer dort Urlaub machen will, sollte sich vorher also wenigstens en bietje utkennen, um nicht in die typischen Stolperfallen und Fettnäppfchen zu geraten, die Touris als Nicht-Ostfriesen brandmarken. Deswegen haben wir hier einige der wichtigsten Dinge zusammengestellt, auf die Ihr Euch bei einem Ausflug ins flachste Fleckchen Erde gefasst machen müsst.
1. Ostfriesen-Regel: Eine Begrüßung sagt mehr als tausend Worte
Es mag banal und offensichtlich klingen, kegelt aber besonders Besucher aus Süddeutschland schnell ins Aus: Wer in Ostfriesland jemandem über den Weg läuft, der weder Kuh noch Schaf ist, der sagt nicht etwa "Grüß Gott", "Guten Tag" oder "Guten Morgen". Nee, für den echten Ostfriesen ist das viel zu aufwendig. Ein kurzes Nicken und ein "Moin" - mehr braucht es dort nicht, um sich angemessen zu begrüßen.
Was von außen oft als wortkarg beschrieben wird, ist eigentlich nur ein Ausdruck dafür, dass der Friese zwischen den Zeilen liest. Begleitet von einem ausdrucksstarken "Jo" ist oft alles gesagt, was gesagt werden muss. Moin hat übrigens auch nix mit der Tageszeit zu tun - vielmehr leitet es sich wahrscheinlich aus dem plattdeutschen mooi ab, was so viel wie gut oder schön bedeutet. Man komme daher bloß nicht auf die Idee, das Ganze zu einem "Guten Moin", "Moin Moin" oder "Moinsen" abzuwandeln. In der Kürze liegt die Würze, alles andere is Gesabbel!
2. Ostfriesen-Regel: Bi uns prot wi Platt!
Jau. Darauf sollte man sich nämlich auch gefasst machen, wenn man sich nach Ostfriesland begibt - da kann's schon mal passieren, dass man nix versteht. En bietje Platt darf man also schon kennen und verstehen, wenn man dort Urlaub macht. Grundwissen für Einsteiger findet Ihr hier!
3. Ostfriesen-Regel: Fragt nach dem Weg!
Wenn es darum geht, sich auf ostfriesischen Wegen zurechtzufinden, ist Google Maps nicht der beste Ratgeber. Sicherlich, die Richtungen stimmen im Allgemeinen, doch bedenkt der digitale Wegweiser die friesischen Witterungen nicht - wo die eine Hälfte des Jahres eine Straße ist, ist die andere Hälfte auch gerne einfach mal - Wasser. Jau.
Da kam es schon vor, dass im Dunkeln das ein oder andere Auto den Sprung ins Kühle Nass gemacht hat. Also vorher lieber die Einheimischen fragen, wenn's darum geht, sich sicher den Weg weisen zu lassen.
4. Ostfriesen-Regel: Glaube keiner Himmelsrichtung!
Man sollte meinen, Ostfriesland ist im Osten, Nordfriesland im Norden und Westfriesland im - naja, Ihr wisst schon. Tja, ganz so einfach ist es leider nicht. Zuerst einmal liegt Nordfriesland zwar im Norden Deutschlands, aber knapp vor Dänemark befindet es sich schon mal östlicher als Ostfriesland. Das wiederum liegt nämlich im Nord-Westen Niedersachsens, und Westfriesland liegt tatsächlich im Norden Hollands. Jo.
Das ist ganz einfach der Tatsache geschuldet, dass Friesland sich nicht an deutschen Grenzen gemessen hat, da seine Geschichte schon ins 8. Jahrhundert zurückgeht. Bei Deutschen hingegen stiftet es heute damit konstant Verwirrung. Plant Euren Urlaub also immer mit einem Auge auf der Landkarte - sicher ist sicher.
5. Ostfriesen-Regel: Nu is Teetid!
Teetrinken spielt eine zentrale Rolle im Leben eines Ostfriesen. Bei dieser Zeremonie wird aber nicht einfach drauflosgesüppelt - nee, nee, nee. Zuallererst mal wird die Teekanne vorgewärmt. Dann kommt der traditionelle Schwarztee lose in die Kanne und sauniert dort mindestens für drei bis fünf Minuten.
Bevor aber der Tee durch ein Sieb in die Tasse kommt, wird erstmal der Kluntje darin platziert - ostfriesischer Kandiszucker. Dann kommt der Tee darüber. Wenn der Kluntje knackt, war der Tee auch wirklich heiß genug. Achtung: Es wird nicht umgerührt! Der Kluntje bleibt schön, wo sie ist, und das auch über mehrere Tassen Tee hinweg. Hat sie sich ganz aufgelöst, kann man nachlegen.
Am Rand wird dann mit einer kleinen Kelle vorsichtig gegen den Uhrzeigersinn die Sahne hineingegossen - und nein, es wird immer noch nicht umgerührt. Stattdessen darf man jetzt die Wulkje bestaunen, also die Sahnewölkchen, die sich gebildet haben. Der Löffel wird eigentlich überhaupt nicht zum Umrühren benutzt. Vielmehr zeigt er dem Gastgeber, dass man keinen Tee mehr möchte. Wenn Ihr Euch also nach der vierten Tasse Tee fragt, warum kein Ende in Sicht ist, solltet Ihr schleunigst Euren Löffel in die Tasse legen - sonst gibt's Nachschub!
Übrigens gibt es in Ostfriesland eine interne Meinungsverschiedenheit, welcher Schwarztee der "wahre" Schwarztee ist. Während man in Leer den Bünting-Tee verteidigt, schreit man in Emden nach Thiele-Tee. Ein Kampf, der wohl noch ausgetragen wird, wenn selbst die ostfriesischen Schafe keine Locken mehr haben.
6. Ostfriesen-Regel: Kopp runner auf der Landstraße...
... denn da wird gerne mal kräftig geboßelt. Wer nicht aufpasst, dem fliegen flott mal ein paar Holzkugeln um die Ohren. Denn beim Boßeln wird auf einer Strecke von bis zu zehn Kilometern darum gewetteifert, welches Team seine Holz- oder Gummikugel mit den wenigsten Würfen ins Ziel bringt. Ganz nach ostfriesischer Art wird das Spiel vom Käklern und Mäklern begleitet, die das Können der Spieler kommentieren. Meistens weisen Schilder wie "Achtung, Boßelstrecke" darauf hin - also immer schön die Ogen openmaken, nee?
7. Ostfriesen-Regel: Über Neujahr Sachen rein!
Denn dort ist es in Teilen des Landes nicht unüblich, dass in der Neujahrsnacht Kinder und Jugendliche ausziehen, um ein bisschen Schabernack zu treiben. Fußmatten, Blumentöpfe, Gartenzwerge und ganz generell alles, was nicht niet- und nagelfest ist, wird in dieser Nacht gerne versteckt oder dem Nachbarn vor die Tür gelegt.
In ländlicheren Teilen ist der Rummelpott nicht unüblich - im Grunde das Ostfriesen-Halloween, bei dem Kinder mit einem Sack auf die Jagd nach Süßigkeiten gehen und sich verkleiden. Rummeln bedeutet so viel wie poltern und kommt daher, dass früher mit einer Trommel das Kommen angekündigt wurde. Scherzhaft wird das ganze auch Rumpott genannt, wenn Erwachsene durch die Gegend ziehen und statt Süßigkeiten auf der Jagd nach Schnaps sind.
8. Ostfriesen-Regel: Macht Euer Abitur - aber bitte richtig ostfriesisch!
Um die ostfriesische Kultur so richtig aufzusaugen, könnt Ihr in der Stadt Wittmund das Ostfriesenabitur ablegen. Heißt was genau? Ihr werdet in den verschiedensten Disziplinen auf Eure Kenntnisse geprüft - Holzkuh melken, Boßeln, Padstockspringen (hier müsst Ihr mithilfe eines Stocks über Gräben springen - ostfriesische Olympiaversion der Hochsprungs sozusagen), Teezeremonie geben (ha! Gut, dass Ihr das jetzt ja schon könnt!), Krabbenpulen, Ostfrieslandkunde und eine mündliche Plattdeutschprüfung erwarten Euch unter anderem.
Ein Abitur, was sicher nicht nur auf dem Lebenslauf besonders heraussticht, sondern ganz nebenbei auch voll was für Liebhaber der ostfriesischen Kultur ist, beweist doch ein Zeugnis am Ende, dass Ihr im Herzen echte Ostfriesen seid!
9. Ostfriesen-Regel: Friesen sind nicht gleich Friesen
Wer denkt, alle Ostfriesen sind gleich, der hat sich aber gewaltig geschnitten. So wie ein Bayer kein Mecklenburger ist, so ist auch ein Ostfriese nicht gleich ein Ostfriese. Von Landstrich zu Landstrich kann es also gut sein, dass Ihr schnell mal auf eine etwas andere Kultur, andere Bräuche und einen anderen Dialekt trefft. Doch glücklicherweise bleibt eine Sache bei allen Ostfriesen dieselbe: mit einem herzlichen "Moin" könnt Ihr gar nichts falsch machen!
Das sollte für den Anfang reichen - wenn Ihr euch gleich einen echt ostfriesischen Reiseführer zulegen wollt, dann solltet Ihr unbedingt den Fettnäpfchenführer Ostfriesland - Eine Ode an das Moin besorgen - alle Stolperfallen werden hier sehr unterhaltsam als Geschichte verpackt angerissen und erklärt.
Dann steht Eurem Urlaub in Ostfriesland auch nix mehr im Wege. Ach ja, Ostfreesland - dat is heel wat besünners!
Ostfriesland , einzigartig und immer wieder schön. Und das zu jeder Jahreszeit.
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